Corona-Pandemie verschärft Probleme der Rentenversicherung

Die mit der Corona-Pandemie verbundenen Kosten der Eindämmungsmaßnahmen werden die bereits heute absehbaren Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) deutlich verschärfen, so das Fazit einer Analyse von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, im Auftrag von Union Investment.

Ursächlich dafür ist zum einen die stark steigende Nachhaltigkeitslücke der GRV, die zu einer massiven Unterdeckung führen wird. Zum anderen die implizite Staatsverschuldung, die aufgrund der Krisenbekämpfung auf rund 357 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) angewachsen ist und durch die der Staat die Steuerzuschüsse zur GRV zurückfahren muss.

Aus Sicht Raffelhüschens wird der Politik daher nichts anderes übrig bleiben als die Rentenbeiträge auf 20 Prozent des Bruttogehaltes zu deckeln und das Rentenniveau auf unter 40 Prozent des letzten Einkommens absinken zu lassen.

Die Corona-Pandemie verschärft deutlich die bestehenden Probleme des deutschen Rentensystems, die sich zuvor schon aufgrund politischer Entscheidungen der vergangenen Jahre zugespitzt haben. So bestand bei der GRV schon vor der Corona-Pandemie eine Nachhaltigkeitslücke von 2,6 Billionen Euro. 

In Folge der Corona-Lockdowns wird sie sich schätzungsweise auf rund 3 Billionen Euro vergrößern. Dieser drastische Anstieg resultiert daraus, dass die Durchschnittseinkommen aufgrund des Wirtschaftsrückgangs und in Folge auch die staatlichen Renteneinnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach sinken werden, die Höhe der Rentenzahlungen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben jedoch gleich bleiben muss. „Zahlen muss dies die zukünftige Generation“, warnt Raffelhüschen.

Parallel dazu wird der Bund in den kommenden Jahren keinen großen Handlungsspielraum mehr haben, um die zusätzlichen Belastungen der GRV durch weitere Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren.

Denn die Folgen der Corona-Pandemie führen zu einem beschleunigten Anwachsen der Staatsverschuldung, die sich nicht nur in der offiziellen Statistik abbildet, sondern vor allem durch einen extrem gestiegenen impliziten Anteil an Verpflichtungen zu Buche schlagen wird, die heute schon absehbar die öffentlichen Haushalte in Zukunft belasten werden.

Staatsverschuldung steigt durch Corona-Maßnahmen auf aktuell 357 Prozent des BIP

Unmittelbar vor der Corona-Pandemie lag die durch Schuldverschreibungen verbriefte Staatsschuld bei 59,8 Prozent des BIP. Durch die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen wird diese im Jahr 2020 auf rund 80 Prozent ansteigen.

In den Folgejahren sind allerdings weitere Defizite zu erwarten und spätestens, wenn die massiv steigenden Beamtenversorgungslasten wirksam werden, dürften sich die im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen auf mehr als 100 Prozent des BIP addieren.

Dazu kommt jedoch noch die implizite Staatsverschuldung, versursacht durch die absehbaren Finanzierungslücken in der Kranken-, Pflege, Arbeitslosenversicherung, der Gebietskörperschaften sowie der Beamtenversorgung. Die gesamte Nachhaltigkeitslücke für das Jahr 2020 liegt dadurch nicht mehr bei 236 Prozent des BIP, sondern summiert sich durch die staatlichen Corona-Maßnahmen auf mittlerweile 357 Prozent. 

Somit wird aktuell weniger als ein Fünftel der tatsächlichen Verschuldung offiziell ausgewiesen – über vier Fünftel, 285 Prozent des BIP, schlummern als fehlende Rückstellungen des Sozialstaats im Verborgenen.

„Kommt es zu keiner Revision der Leistungshöhen von Beamtenpensionen, Kranken- und Pflegeversorgungen oder Rentenzahlungen werden Stück für Stück die unsichtbaren Staatsschulden sichtbar und belasten die öffentlichen Haushalte massiv“, betont Raffelhüschen.

Werden die Rentenbeiträge auf 20 Prozent gedeckelt, sinkt das Rentenniveau auf unter 40 Prozent

„Aufgrund der wachsenden Nachhaltigkeitslücke in der GRV und den sinkenden staatlichen Steuerzuschüssen, werden die Rentenbeiträge über kurz oder lang auf ein Fünftel des Bruttogehaltes gedeckelt werden müssen“, so die Einschätzung des Rentenexperten. Dadurch sinke das Rentenniveau auf unter 40 Prozent.

Um den Lebensstandard zu sichern, sei jedoch eine Ersatzquote von 60 bis 80 Prozent des letzten Bruttolohnes notwendig. Zukünftige Rentner würden somit eine Vorsorgelücke von 20 bis 40 Prozent erwarten. Im Klartext bedeutet das: Die GRV kann die auf der Grundlage der Rentenreform 2001 getroffenen Versorgungsanforderungen nicht mehr erfüllen.

Als Folge wird sie den Lebensstandard künftiger Rentner in dieser Form noch weniger sichern als bisher und die notwendigen Altersvorsorgeanstrengungen zur Lebensstandardsicherung steigen dadurch weiter an — und das in Zeiten niedriger Zinsen. 

Reform der Vorschriften für die Finanzindustrie dringend notwendig

Vor diesem Hintergrund werde es immer dringlicher, die private Vorsorge in einem vernünftigen Rahmen weiterzuentwickeln, so Raffelhüschen zu den Schlussfolgerungen aus der Studie. Stattdessen erschwere der Staat die Bildung privaten Vorsorgevermögens bei breiten Bevölkerungsschichten durch die strengen Vorschriften bei der Allokation der Anlage- und Refinanzierungsstrukturen des Finanzsektors.

In der Folge könnten viele Finanz- und Versicherungsunternehmen ihren Anlegern nur scheinbar sichere Anlagen anbieten, mit denen die Sparer jedoch kaum noch Rendite erzielen. In Kombination mit dem sinkenden Rentenniveau sei dies aber genau das falsche Signal.

„Die Politik muss daher dringend handeln. Statt des Zwangs zur nicht verzinsten Staatsanleihe muss der Gesetzgeber die private Altersvorsorge reformieren und der Finanzindustrie die Freiheit zur Diversifikation eröffnen“, betont Raffelhüschen. Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, ergänzt: „Wir werden bei den Zinsen in den nächsten Jahren keine Entspannung sehen. Daher ist es umso wichtiger und für unsere Volkswirtschaft zielführender, den Aufbau von Vorsorgevermögen für breite Bevölkerungsschichten über den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern.

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